Wer bin ich und warum entscheide ich so?
Spätestens seit Richard David Precht so provokant fragte „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“, beschäftigen sich viele Menschen mit Ihren unterschiedlichen Motivationen und Verhaltensmustern. Diese haben auch Einfluss auf unser Entscheidungsverhalten, deshalb widmen wir diesem Thema die kommenden Beiträge. Aber zunächst zu den Hintergründen:
Wir verfügen über zwei Auswertungssysteme, um Situationen einzuschätzen: den Verstand und das emotionale Erfahrungsgedächtnis. Der Verstand braucht viel Zeit, dafür sind die Ergebnisse präzise und detailliert, und er gibt uns verwertbare Argumente an die Hand. Das emotionale Erfahrungsgedächtnis wertet eine Sachlage ungleich schneller aus, berücksichtigt dabei auch viel mehr Einzelheiten, aber die Ergebnisse sind diffus und detailarm. Begründungen wie „Ich habe damit ein schlechtes Gefühl“, oder „Ich glaube nicht, dass das dem Kunden gefällt“, sind gegenüber Dritten weniger überzeugend (aber trotzdem richtig).
Was bedeutet das nun für unsere Fähigkeit, Situationen einzuschätzen, Probleme zu lösen, Chancen zu nutzen und Entscheidungen zu treffen? Ganz einfach – idealerweise beruht sie auf der sorgfältig abgestimmten Koordination von Verstand, Erfahrung und Gefühl:
- Dass der Verstand bei der rationalen Situationseinschätzung, bei der Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielt, ist bekannt.
- Und die somatischen Marker wendet unser Gehirn sowieso automatisch an – indem es zu jeder vorgestellten Alternative sofort somatische Marker mit Botschaften „gut“ oder „schlecht“, „tun“ oder „lassen“ sendet. Der Hirnforscher Antonio Damasio hat gezeigt, dass Menschen, deren emotionaler Bereich im Gehirn zerstört ist (z.B. durch Unfall oder Operation) nicht mehr in der Lage sind, überhaupt Entscheidungen zu treffen. Sie wägen unzählige Informationen zu den Alternativen gegeneinander ab, sind aber zu einer abschließenden Beurteilung nicht fähig. Man kann daraus schließen, dass der Verstand allein nicht entscheidungsfähig ist. Dieses Muster der Faktensammlung, ohne letztendlich eine Entscheidung zu treffen, begegnet uns übrigens gelegentlich bei Menschen, die versuchen, einer Entscheidungssituation ausschließlich mit der Vernunft beizukommen.
- Beide Auswertungssysteme wiederum brauchen die Erfahrung. Die Erfahrung, die Situation richtig einzuschätzen. Die Erfahrung aus ähnlichen Situationen für das Bauchgefühl. Und die Erfahrung, wann wir noch Informationen und Zeit brauchen und wann der richtige Zeitpunkt zum Handeln gekommen ist.
Wie wir bei der Problemlösung die Elemente Verstand, Erfahrung und Gefühl bzw. Intuition auf sinnvolle Weise verbinden, erzeugt ein Muster in unserem Entscheidungsverhalten. Diese typischen Verhaltensmuster – und auch wie man diesen begegnet, wenn man sie erst einmal wahrgenommen hat – werden wir in den nächsten Beiträgen näher beleuchten. Selbsterkenntnis ist garantiert – seien Sie gespannt!
Ihre Carola Kamuff