Können Sie sich unter einer „Selbstdarstellungsfrage“ etwas vorstellen?
Dann haben Sie das bestimmt schon einmal erlebt: der Typus Zuhörer, der Präsentationen und Vorträge durchaus in Schieflage bringen kann, weil er unangenehme Fragen stellt (und ja, der männliche Teil der Bevölkerung ist hier in der Mehrheit).
Wenn wir die schwierige Frage zunächst einmal analysieren, zeigt sich oft, dass hier gar keine Frage gestellt wird. Das Fragezeichen am Ende ist nur eine Verkleidung. Weil bei Vorträgen in der Regel nur Fragen zugelassen sind, wird gerne die eigene Meinung als Frage formuliert. Und das macht die Sache auch so unangenehm. Denn der Frager möchte gar keine Information von Ihnen haben, sondern er will dem ganzen Saal vermitteln, dass eigentlich er vorne am Podium stehen sollte, weil er über die größere Kompetenz verfügt.
Ein Beispiel von einer Weiterbildungsmesse: Die Leiterin eines Trainingsinstituts hält einen Vortrag über die Anwendung des Enneagramms (ein Modell über Persönlichkeitsstrukturen). Ein mittelalter Zuhörer von hinten: „ Sie haben das Enneagramm nicht verstanden. Das können Sie für Trainings überhaupt nicht anwenden!“ Die Rednerin erklärt nochmal kurz, was sie meint. Er bringt einen weiteren Anwurf, den sie nochmals sachlich kontert. Es folgt ein dritter Anwurf. Sie entgegnet: „Da sind wir offensichtlich unterschiedlicher Meinung“ – und macht weiter im Text.
Hier können Sie sehen, dass es nicht um Information geht, sondern um Meinung. Und da Sie jemanden, der sich nicht überzeugen lassen will, auch nicht überzeugen können, müssen Sie irgendwann einen Ausstieg aus der Eskalation finden.
Die Rednerin im Beispiel reagiert klug, indem sie den unverblümten Kommentar zunächst ernst nimmt und auf der Sachebene beantwortet. Sofort abzublocken würde dem Publikum das Gefühl geben, dass sie nicht sicher in ihrem Thema ist und der Zuhörer vielleicht Recht hat. Aber nach dem dritten Kommentar ist jedem Zuhörer klar, dass es sich hier um einen Querulanten handelt, und vermutlich sind die ersten interessierten Zuhörer auch schon etwas genervt. An dieser Stelle wäre weitere Aufmerksamkeit unangemessen, deshalb nimmt sich die Rednerin selbst aus der Schusslinie und bricht das Gespräch ab, indem Sie das Offenkundige feststellt: Die beiden werden sich nicht einigen.
Und da sie als Rednerin hier im wahrsten Sinne des Wortes das Sagen hat, führt sie ihren Vortrag weiter.
Um ebenfalls so klug mit einer solchen Situation umgehen zu können, sollten Sie darauf vorbereitet sein, dass sie irgendwann einmal auftauchen wird. So gehen Sie dem Zwischenrufer nicht auf den Leim und verstricken sich nicht in einer fruchtlosen Endlosdebatte.
Ich wünsche Ihnen die nötige Schlagfertigkeit für die Situation!
Ihre Carola Kamuff